Viele Leute meinen, dass die Schweiz seit 1291 die älteste Demokratie der Welt sei. Das entspricht allerdings nur zu einem sehr kleinen Teil der historischen Wirklichkeit.

In weiten Teilen der Eidgenossenschaft waren die Landleute von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen und durften auch kein Gewerbe betreiben, das die städtischen Zünfte konkurrenziert hätte. Sie galten nach wie vor als Leibeigene der gnädigen Herren, mussten Frondienste verrichten und wurden von verhassten Landvögten hochmütig behandelt und schikaniert – ziemlich genau so, wie die das die Sagen aus der Gründungszeit der Eidgenossenschaft den habsburgischen Vögten vorwerfen! Es erstaunt denn auch nicht, dass es zu Aufständen kam und dass die unterdrückte Landbevölkerung sich dabei – wie schon im Bauernkrieg von 1653 – auch auf den Freiheitshelden Wilhelm Tell berief.
- In Bern, Solothurn, Fribourg und Luzern bestimmten Patrizierfamilien die Geschicke der Stadt und des umliegenden Landes. Die Stadtbürger hatten zwar das Recht, ihre Räte zu wählen, aber nur die Mitglieder aus einigen wenigen so genannt „regimentfähigen“ Familien waren in die öffentlichen Ämter wählbar. In Zürich, Basel und Schaffhausen regierten die Zünfte [Berufsverbände der Handwerksmeister]. Auch sie hielten den Kreis der herrschenden Familien geschlossen. Im Gegensatz zu den Patrizierstädten liessen die Zunftstädte ihren Untertanen auch wirtschaftlich kaum Freiheiten, sondern erliessen strenge Richtlinien über die Organisation des ländlichen Handwerks.
- Selbst in den kleinen Landkantonen Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Appenzell bestimmten – trotz formeller Demokratie an der Landsgemeinde [regelmässige Volksversammlung, wo man die Regierung wählte und über wichtige Angelegenheiten abstimmte] – ein paar wenige, alteingesessene Familien die Geschicke der Politik.
- Die grosse Mehrheit der Bevölkerung – die Landbevölkerung in den grossen Kantonen Zürich, Bern, Luzern, Fribourg, Solothurn, Basel (Baselbiet!), Jura, Schaffhausen und St. Gallen ebenso wie die Einwohner der so genannten „Gemeinen Herrschaften“ [von den 13 Orten der Alten Eidgenossenschaft gemeinsam eroberten und verwalteten Untertanengebiete] Aargau, Thurgau und Tessin bzw. der einzelörtlichen Untertanengebiete (u.a. Waadt, Unterwallis) hatten keinerlei politische Rechte.
- In der ganzen Schweiz gab es weder Handels- und Gewerbefreiheit noch Pressefreiheit.
